Servitization: Modewort oder Gamechanger?

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Wenn man sich aktuelle Analysen zu den Themen Digitalisierung und Plattformökonomie anschaut, sieht es für Europa und Deutschland derzeit nicht rosig aus. Die regelmäßige Erhebung der 100 wertvollsten Digitalplattformen vom Netzökonom Dr. Holger Schmidt zeigt: Europas Anteil an der Plattformökonomie ist mit 5 Prozent bescheiden . Immerhin hat sich Deutschland beim Digital Quality of Life Index 2021 um sieben Plätze auf Platz 9 verbessert . Laut einer aktuellen Studie des amerikanischen Datenspezialisten Snowflake fühlen sich zwei Drittel der deutschen Unternehmen immer noch nicht bereit für die Data Economy.

Endgültig im Hintertreffen?
Die deutsche Industrie verfügt über alle Voraussetzungen, um sich schneller zu digitalisieren und Daten gewinnbringend zu nutzen: Das weltweit anerkannte Engineering-Know-how, die Stellung als führende Exportnation sowie die hohe Reputation im Bereich der KI-Forschung.
Smarte Produkte und kundenzentrierte Services sind die Treiber, um die vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Laut einer 2020 durchgeführten Umfrage von McKinsey wollen 88 Prozent der mittelständischen Unternehmen neue Services und Geschäftsmodelle einführen, um die Interaktion mit ihren Kunden zu verbessern und eine stärkere Kundenzentrierung zu realisieren. In diesem Zusammenhang taucht immer öfter der Begriff „Servitization“ auf.


Servitization, auch Service-Transformation genannt, bezeichnet eine Geschäftsmodellinnovation: weg vom reinen Produktverkauf, hin zum Angebot von Produkt-Service-Systemen. Als populäres Beispiel wird häufig das „power-by-the-hour“-Modell für Rolls-Royce-Turbinen herangezogen. Dabei wurden die Turbinen vermietet und die fehlerfreien Betriebsstunden abgerechnet. Dies vernachlässigt jedoch den aktuellen Bezug der Servitization zum digitalen Zeitalter.
Man sollte daher präziser vom Begriff der „digitalen Servitization“ sprechen, der konkreter umschreibt, dass smarte Produkte durch zusätzliche digitale Services angereichert und gemeinsam mit einem entsprechenden IT-Ökosystem angeboten werden. Der erfolgsentscheidende Faktor derartiger Strategien liegt dabei immer in der Erfassung, der Verarbeitung und der Bereitstellung von Daten. Dadurch werden monetäre Zuwächse, Wettbewerbsvorteile und insbesondere der direkte Zugang zu den Endkunden gesichert.

Endlich Daten und Wissen nutzen und verkaufen
Gerade im sehr wissensintensiven Maschinen- und Anlagenbau sind Daten und Wissen die entscheidenden Faktoren für skalierbare und nachhaltige digitale Geschäftsmodelle. Bei optimalem Einsatz können kundenzentrierte Services, digitale Produkte sowie neue datengetriebene Geschäftsmodelle entstehen. Auf dieser Basis transformieren sich Unternehmen zu kundenzentrierten Plattformen mit digitalen Zusatzangeboten und bauen dafür ein umfassendes digitales Servicegeschäft auf, was höhere Margen, Renditen und Wachstumsmöglichkeiten verspricht als die eigentlichen Kernprodukte. So verlockend die Chancen der digitalen Servitization auch erscheinen, so schwer tut sich die heimische Industrie häufig bei der Umsetzung und verliert zunehmend Marktanteile an sogenannte Tech-Giganten. Im Folgenden finden sich daher die fünf wichtigsten Schritte, welche den Weg zu digitalen Geschäftsmodellen beschreiben.

Der 5-Schritte Plan für datengetriebene Geschäftsmodelle

Schritt 1: Bestandsaufnahme
Als erster Schritt dienen Bestandsaufnahme und Überprüfung der Relevanz bezüglich der Unternehmensstrategie. Man sollte hierbei zum einen hinterfragen, inwiefern digitale Services die bestehende Servicelandschaft verändern können, insbesondere hinsichtlich Effizienz und Skalierbarkeit. Darüber hinaus sollte erörtert werden, ob bestehende Produkte durch digitale Services ergänzt oder gänzlich neue, digitale Produkt-Service Systeme angeboten werden sollen. Zudem sollte man Markttrends und etwaige Bedrohungen für den Kontakt zum Endkunden von außerhalb im Auge behalten. Falls man Chancen für den Unternehmenserfolg sieht, sollte man einen dezidierten Blick auf die Potenziale werfen.

Schritt 2: Identifikation der Potenziale
Digitale Servitization befindet sich in einem konstanten Spannungsfeld zwischen einem „technology push“ – was aufgrund neuer Technologien möglich wird – und einem „market pull“ – was sind die Kundenbedürfnisse im Markt. In diesem Schritt sollten daher beide Themen systematisch analysiert werden. Um zu verhindern, dass aufwendige Produkte und Services entwickelt werden, die an den Marktanforderungen vorbeigehen, sollten Kundenbedürfnisse der Startpunkt sein. Als guter Einstieg bietet sich der Bereich des Aftersales/Aftermarkets an, da man hier bereits einen engen Kundenkontakt pflegt und Umsätze schnell gesteigert werden können. Ausgehend von den definierten, strategischen Zielen erstellt man eine „Produkt-Service-Portfolio-Roadmap“. Dabei sollten auch potenzielle Partner in Kundenumfeld, Lieferanten und Wettbewerber identifiziert werden.

Schritt 3: Entwurf eines dedizierten organisatorischen und strukturellen Aufbaus
Falls das Servicegeschäft eine wichtige Säule der Unternehmensstrategie ist, sollte dies auch in der Organisation mit kurzen Berichtslinien und Verankerung auf C-Level Ebene sichtbar sein. So sollte man erste dedizierte Ressourcen für den Vertrieb von (digitalen) Dienstleistungen und neuen innovativen Produkten aufbauen.

Schritt 4: Think Big!
Groß denken, aber die Strategie auf überprüfbare und erreichbare Minimal Viable Products herunterbrechen, um den Product-Market-Fit zu bestimmen. So können erste Produkte und Services als Proof-of-Value umgesetzt werden. Dabei sollte auch ein Stage-Gate-Innovationsprozess etabliert werden, bei dem die Teams Fortschritte vorweisen müssen, um den Wert der Produkte zu validieren. Sehr wichtig ist dabei, dass kontinuierlich das Service-Innovationsportfolio überprüft und nicht-funktionierende Vorhaben beendet werden, bevor „Zombie-Projekte“ entstehen, die Zeit und Budgets verschlingen. Essenziell ist das Sammeln der richtigen Daten und die Umwandlung vorhandenen Wissens in kundenzentrierte Produkte und Services.

Schritt 5: Schrittweiser Ausbau und Transformation zum Service-Geschäftsmodell
Wie kann ein Umdenken in der Organisation eingeleitet werden? Zunächst sollte die Organisation transformiert und die Vertriebsmitarbeiter anschließend durch geeignete Trainingskonzepte schrittweise hochqualifiziert werden. Dadurch kann die Vertriebs-DNA langfristig verändert werden.

Derartige Projekte können häufig nicht allein und aus dem Tagesgeschäft heraus bewältigt werden. Bereits heute stehen jedoch Partner und ganzheitliche SaaS-Lösungen zur Verfügung, die sich der Digitalisierung im Service verschrieben haben und sich als Basis für datengetriebene Geschäftsmodelle eignen, ohne dabei den Kundenzugang zu untergraben. Um nahtlose Datenverwertung und -bereitstellung zu gewährleisten, ist es vor allem aus Gründen des Datenschutzes und der Datensicherheit sinnvoll, auf „Made in Germany“-Lösungen zurückzugreifen.

Wie moderne SaaS-Lösungen schon heute den Service von morgen realisieren

Modulare, KI-basierte SaaS-Produkte stellen schon heute Servicetechnikern, Support Agents, Vertriebsmitarbeitern oder technischen Redakteuren die richtigen Produkt- und Serviceinformationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereit und machen den Serviceprozess vom Signal bis hin zur Aktion effizienter.
In Wissensportalen können Anwender über die KI-basierte Suche sekundenschnell und sicher auf alle relevanten Informationen zugreifen – ganz egal, wo oder in welchem Format diese abgelegt sind. Drüber hinaus können sie mithilfe einer geführten Fehlerdiagnose komplexe Probleme schneller lösen.
Darüber hinaus unterstützt SaaS-Produkte mithilfe von Team Apps den aktiven, strukturierten Wissenstransfer und situatives Lernen. Dabei wird das Servicewissen dort abgegriffen, wo es entsteht: bei Einsätzen von Servicetechnikern in Chat-Gruppen, bei Remote-Support Calls, in zahllosen Servicetickets oder in den täglichen Notizen und Rückmeldungen der Servicemitarbeiter. Dies verhindert den Wissensverlust im technischen Service, der sich aus Mitarbeiterfluktuation und dem demografischen Wandel ergibt.