Wenn es funktioniert, ist es keine KI mehr

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Dieser berühmte Satz stammt von einem der Urväter der KI-Forschung, John McCarthy. Dieser hat auch über 50 Jahre später immer noch Bestand.

Der Hype um KI in Deutschland nimmt immer größere Züge an. Viele Menschen stellen sich dabei die Frage: Wird es tatsächlich eine Software mit eigenem Bewusstsein – eine künstliche Intelligenz – schon in naher Zukunft geben? Oder sind die Erfolgsmeldungen nur eine Erscheinung des aktuellen Hypes?

Die eindeutige Antwort ist: weder noch!

Keine andere Softwaretechnologie wird derzeit so unter- und überschätzt wie die KI. Warum?

Wir lieben Magie! Obwohl wir wissen, dass es echte Zauberei gar nicht gibt, besuchen wir millionenfach die zahlreichen Shows. Wird die vermeintliche Magie hinter den Kulissen als einfache Mechanik entlarvt, ist unsere Enttäuschung groß. Tief im Inneren haben wir Menschen eine Sehnsucht nach echter Magie.

Mit der künstlichen Intelligenz ist es ganz ähnlich: Uns fasziniert seit jeher und in allen Kulturen die Vorstellung von intelligenten Maschinen, einer künstlichen Intelligenz, ob nun gut oder böse. Wenn wir aber erkennen, dass der magisch erscheinende Effekt von KI im Grunde nur auf Mathematik beruht, ist unsere Enttäuschung groß. Wir träumen insgeheim von mehr.

Die Ziele des bereits im Jahr 1956 aus der Taufe gehobenen Fachgebiets Künstliche Intelligenz würde man heute daher wohl als Moonshot Thinking bezeichnen: die Vorstellung, etwas wirklich völlig Neues und Revolutionäres erschaffen zu können.

Die Erfolge auf dem bisherigen Weg sind aber durchaus bemerkenswert und haben unseren Alltag und die Softwareentwicklung bereits nachhaltig verändert. Ob Schachcomputer, Suchmaschinen, Fahrzeug-Konfiguratoren, Empfehlungs-Algorithmen, Spamfilter, Geschäftsregeln oder sogar Navigationssysteme: All das sind objektiv betrachtet (Teil-)Ergebnisse der KI-Forschung. Anders als zu den damaligen Zeitpunkten der Entwicklung, würde wohl niemand diese heute noch als intelligent bezeichnen.

All diese Technologien sind inzwischen längst im Informatik-Mainstream angekommen. Neben der Programmiersprache SIMULA-67 bilden sicher auch Marvin Minskys Gedanken zu FRAMES aus seinem Artikel A Framework for Representing Knowledge aus dem Jahr 1974 die Grundlagen für den späteren Erfolg der Objektorientierung und vieler objektorientierter Programmiersprachen.

Die heute so aktuellen und vieldiskutierten neuronalen Netze gehen im Kern auf eine Arbeit von McCulloch und Pitts aus dem Jahr 1943(!) zurück. Sie erlebten bereits in den 90er Jahren eine Hochphase und sind heute allgegenwärtig in unseren Häusern, Autos, Fabriken – meistens schon in Hardware realisiert – und wurden inzwischen als Regeltechnik getarnt.

Die neuen neuronalen und datengetriebenen Algorithmen sind in ihrer Leistungsfähigkeit dem Menschen inzwischen in einigen Disziplinen ganz klar überlegen. Diese Verfahren sind – wie auch alle ihre Vorgänger – gekommen, um zu bleiben. Sie werden unsere Software verändern und vielleicht sogar ihre Entwicklung dominieren.

Aber ganz gleich, unter welcher Bezeichnung wir die Vielfalt an wissensbasierten, datengetriebenen und lernenden Algorithmen in der Zukunft in unserer Software nutzen werden, eine wirkliche „künstliche Intelligenz“ im Sinne der ursprünglichen Definition aus dem Jahr 1956 oder dem Turing Test von 1950 ist noch lange nicht in Sicht.

Künstliche Intelligenz steht weiterhin und ganz im Sinne John McCarthys als Abkürzung für eine „Künftige Informatik“ und bleibt – wie schon in den 1960 Jahren – ein wichtiger Treiber und Vordenker in der Softwaretechnik. Wie die Vergangenheit uns deutlich zeigt, ist dies schon „Revolution“ genug.